Stellenabbau / Personalabbau – Der Ratgeber 2023
Personalabbau ist die Reduktion des Personalbestands in einem grösseren Umfang, also die Freisetzung von mehreren Mitarbeitenden. Als Orientierungshilfe kann man sich an der juristischen Formulierung für Massenentlassungen orientieren, z.B. mindestens 10 Arbeitnehmende innert 30 Tagen (s. unten). In diesem Fall ist auch ein entsprechendes Vorgehen (Konsultationsverfahren) und eine Pflicht zum Sozialplan vorgeschrieben. Ein Personalabbau bedeutet immer einen Stress bzw. eine emotionale Mehrbelastung für die Beteiligten.
Inhaltsverzeichnis
Gründe für einen Stellenabbau/Personalabbau
Der Stellenabbau ist grundsätzlich eine Massnahme zur Wiederherstellung oder Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Sie zielt auf die Reduktion der Kosten, die Erhöhung der Liquidität und die Anpassung an eine „neue“ (Markt-)Situation.
Planung und Prozess eines Stellenabbaus
Der Stellenabbau ist das Ergebnis einer Analyse der Organisation zum Ist- bzw. Sollzustand im Rahmen der Visionen und Ziele eines Unternehmens. Diese Analysen werden meist durch ein Projektteam durchgeführt und die Form der zukünftigen Organisation festgelegt. Die Geschäftsleitung genehmigt die neue Organisation und die notwendigen Massnahmen zu ihrer Erreichung. Dazu gehört auch ein möglicher Stellenabbau. Das Vorgehen bei einem Stellenabbau umfasst im Wesentlichen 3 Schritte.
Schritt 1: Pflicht zum Sozialplan (seit 2014)
Es besteht die gesetzliche Pflicht, bei Massenentlassungen mit einem Sozialplan die Folgen für die betroffenen Mitarbeitenden zu mildern. Geregelt wird die Sozialplanpflicht und das vorgeschriebenen Vorgehen in den Art. 335d bis 335g OR. Verstösse gegen die Vorschriften können zu erheblichen Kosten führen. Die Gründe für Massenentlassungen sind in einer global ausgerichteten Wirtschaftsordnung vielfältig, oft jedoch auch für Aussenstehende nachvollziehbar. Für Arbeitgeber entsteht die Pflicht bei Massenentlassungen in den folgenden Fällen (OR 335ff):
Als Massenentlassung gelten Kündigungen, die der Arbeitgeber innert 30 Tagen in einem Betrieb aus Gründen ausspricht, die in keinem Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers stehen, und von denen betroffen werden, in Abhängigkeit der Betriebsgrösse:
- mehr als 20 und weniger als 100 Mitarbeitenden und mindestens 10 Kündigungen,
- 100 bis 300 Mitarbeitenden und mindestens 10 % der Belegschaft,
- mehr als 300 Mitarbeitenden und mindestens 30 Kündigungen.
Gegenstand eines Sozialplans
Der genaue Inhalt eines Sozialplanes ist nicht vorgeschrieben. Vom Zweck her soll er Massnahmen festlegen, mit denen Kündigungen vermieden, deren Zahl beschränkt sowie deren Folgen gemildert werden. Dabei geht es aber nicht nur finanzielle Leistungen. Normalerweise sind die folgenden Inhalte anzutreffen:
- Einstellungsstopps
- Finanzierungen von Outplacements
- Abgangsentschädigungen
- Vorzeitige Pensionierungen
- Veränderungen von Kündigungsfristen
Frühpensionierungen sind mit Bedacht auszusprechen, da die Kostenseite nicht ausser Acht gelassen werden sollte und auch ältere Arbeitnehmende noch nicht zum alten Eisen gehören wollen (lieber würden sie weiter arbeiten).
Der Personalabbau sollte transparent geregelt sein und mit längeren Kündigungsfristen oder vorzeitiger Freistellung die Produktionsplanung, wie auch die Bedürfnisse der Betroffenen, berücksichtigen. Finanzielle Massnahmen, wie Abfindungen und Abgangsentschädigungen oder ein Härtefonds, können attraktiv sein.
Nachhaltiger sind jedoch Massnahmen, welche die Stellensuche professionell unterstützen oder die Chancen auf dem Stellenmarkt verbessern. Hierzu zählen Job Center, Outplacement (auch für Gruppen), bezahlte Umschulungen und Weiterbildungen sowie ein Arbeitszeugnis, welches wohlwollend ausgestellt ist und die betriebsbedingte Kündigung erwähnt.
Vorteile für den Arbeitgeber
Während für die Betroffenen die Vorteile auf der Hand liegen, zeigen unsere Erfahrungen, dass bei fair ausgehandelten Sozialplänen auch die Arbeitgeber profitieren. Dies insbesondere, wenn dank einer professionellen Unterstützung alle Herausforderungen dieses komplexen Prozesses positiv umgesetzt werden können. Die Wirkung nach aussen, insbesondere die Imagepflege und der Erhalt der Arbeitgebermarke (Employer Branding) sind dabei die offensichtlichsten Aspekte.
Ausgewogen definierte Leistungen wirken aber auch beruhigend auf die gesamte Belegschaft, ermöglichen eine schnellere Umsetzung der Entlassungen und sind ein bewährtes Mittel um Personalabwanderung zu verhindern und den Erhalt der Leistungsträger zu sichern. Die Produktivität bis zum letzten Arbeitstag bleibt erhalten, ohne dass der Arbeitgeber Unsummen für Halteboni bezahlen muss. Zudem werden Massnahmen, welche die Zahl der Entlassungen reduzieren, wie Frühpensionierung, Pensum-Reduktion oder unbezahlter Urlaub explizit zum Bestandteil des Sozialplans und können somit als zusätzliche Leistung ausgewiesen werden.
Der Arbeitgeber muss also als ersten Schritt seine rechtliche Situation beurteilen und sein Angebot für einen Sozialplan nach Bedarf formulieren.
Schritt 2: Das Konsultationsverfahren
Das Konsultationsverfahren (OR 335f) sieht vor, dass der Arbeitgeber vor der Beschlussfassung einer Massenentlassung (oder auch einer Massenänderungskündigung) seine Mitarbeitenden über den bevorstehenden Schritt informiert und diesen die Gelegenheit gibt, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Entlassungen vermieden werden könnten:
1 Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer zu konsultieren.
2 Er gibt ihnen zumindest die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können.
3 Er muss der Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, den Arbeitnehmern alle zweckdienlichen Auskünfte erteilen und ihnen auf jeden Fall schriftlich mitteilen:
- die Gründe der Massenentlassung
- die Zahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll
- die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer;
- den Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen werden sollen.
- Er stellt dem kantonalen Arbeitsamt eine Kopie der Mitteilung nach Absatz 3 zu.
Am Anfang steht die Information über die geplanten Schritte. Die Mitarbeitenden resp. die Arbeitnehmervertretung werden im gleichen Moment aufgefordert, Vorschläge zu machen, mit welchen Massnahmen die drohenden Kündigungen verhindert werden könnten. Dazu setzt der Arbeitgeber eine Frist an. Wie lange diese Frist sein muss, ist gesetzlich nicht geregelt. Es empfiehlt sich, zwei bis drei Wochen Zeit zu geben. Danach muss aber nochmals eine Zeitspanne eingeplant werden, innert welcher die Unternehmensleitung die eingereichten Vorschläge ernsthaft prüft.
Die Konsultationsfrist ist also nur jene Zeit, innert welcher die Arbeitnehmerseite Vorschläge einreichen kann. Die Dauer des gesamten Konsultationsverfahrens ist länger, da dazu auch noch die Prüfungsfrist durch die Geschäftsleitung eingerechnet werden muss. Die Zeitplanung ist also aus juristischer Sicht wichtig.
Oft wird viel gedankliche Arbeit darauf verwendet, wie das gesetzliche Konsultationsverfahren durch die Staffelung von Kündigungen vermieden werden könnte. Dies ist mittelfristig ein Fehler, der das Unternehmen allenfalls teuer zu stehen kommt. Vielmehr sollte die Vorarbeit in die gute Planung des Verfahrens investiert werden.
Ebenso wichtig ist die Kommunikationsplanung in dieser Zeit. Denn führt man sich vor Augen, wie lange sich die Geschäftsleitung vorher schon mit der möglichen Massenentlassung beschäftigt hat, wird klar, dass dies nicht in einer viertelstündigen Mitarbeiterinformation vermittelt werden kann.
Am Ende der Konsultationsfrist entscheidet der Arbeitgeber, ob und welche der vorgeschlagenen Massnahmen in seinen Restrukturierungsprozess einfliessen. Diese Ergebnisse mit der Entscheidung zum Sozialplan bilden die Grundlage für die Information der Mitarbeitenden am Schluss des Konsultationsverfahrens.
Schritt 3: Umsetzung des Stellenabbaus
Was viele nicht ausreichend im Blick haben, ist, dass das Management neben dem Stellenabbau wenigstens zwei weitere Ziele erreichen muss. Erstens müssen sie mit den verbleibenden Mitarbeitenden eine Produktivitätssteigerung bei gleichbleibender Qualität erreichen, und zweitens müssen sie den Abbau so bewältigen, dass trotz der Krise kein dauerhafter Bruch in der Loyalität und Motivation der verbleibenden Mitarbeiter entsteht. Deshalb ist für das Management neben der organisatorischen Veränderung die Führung der Mitarbeitenden eine grosse Herausforderung.
Für alle Beteiligten ist die termingerechte Umsetzung des Stellenabbaus eine zusätzliche Belastung zum beruflichen Alltag. Die direkten Vorgesetzten müssen die Trennungsgespräche positiv führen und die Trennungsphase begleiten. Die HR-Abteilung muss die Termine der Trennung mit dem Management begleiten, den zusätzlichen administrativen Aufwand (Austritt, Zeugnis, PK, etc.) bewältigen und bleibt Ansprechpartner für die Betroffenen. Das Management muss, wie oben beschrieben, einerseits den Stellenabbau umsetzen und gleichzeitig die neuen Projekte positiv implementieren.
Es gibt auch einige Sonderfälle zu beachten, die eine spezielle Behandlung erfordern:
- Was geschieht mit Mitarbeitenden, die während des Konsultationsverfahrens abwesend sind (z.B. wegen Krankheit, Sabbatical)?
- Müssen in der Schweiz tätige ausländische Mitarbeitende oder im Ausland beschäftigte Mitarbeitende berücksichtigt werden?
- Was geschieht mit Mitarbeiterinnen im Mutterschaftsurlaub oder mit Mitarbeitenden, die während der Konsultation krankgeschrieben sind?
- Welches ist das Vorgehen, wenn am Datum der Schliessung des Unternehmens oder der Filiale bestimmte arbeitsunfähige Mitarbeitende immer noch unter Kündigungsschutz stehen?
- Was geschieht mit Abgangsentschädigungen, die schon an einen Mitarbeiter überwiesen wurden, der anschliessend bei einer Tochtergesellschaft angestellt wird oder dem eine andere Funktion angeboten wird?
- Können Lernende in eine Massenentlassung miteinbezogen werden?
Wer trägt welche Verantwortung?
Folgende Funktionen spielen eine zentrale Rolle in der Kommunikation:
Geschäftsleitung:
Sie trägt die oberste Verantwortung in allen Bereichen und deshalb insbesondere für so wichtige Projekte wie Restrukturierung und Stellenabbau. Sie ist auch das oberste Sprachrohr der Organisation sowohl für die interne Kommunikation zu allen Mitarbeitenden, als auch zu den wichtigen externen Partnern (Kunden, Lieferanten, Banken, etc.). Sie entscheidet auch über die Prozessplanung und Umsetzung. Deshalb ist sie für die Kommunikation grundsätzlich verantwortlich. Für einzelne Aspekte kann die Kommunikation auch teilweise delegiert werden.
Projektteam Restrukturierung (interne/extern Beratung):
Es ist für die Planung und Durchführung des Projektes (Analyse von Ist- und Soll-Zustand, Prozessplanung, Terminplanung etc.) beauftragt und hat entsprechend am meisten Detailkenntnisse. Sie liefert Informationen und Argumente für die Kommunikation.
Human Resources:
HR ist verantwortlich für alle Personalfragen und deshalb ein wichtiger operativer Partner in der Planung und Umsetzung des Stellenabbaus. Gleichzeitig ist HR auch Ansprechpartner für die Betroffenen, nach Bekanntgabe der Informationen und in der Umsetzungsphase.
Direkter Vorgesetzte/r:
Diese Personengruppe ist verantwortlich für die Umsetzung der beschlossenen Massnahmen und damit für die Kommunikation mit den Mitarbeitenden (Betroffene und Survivors). Im Kündigungsprozess kommt ihnen eine Schlüsselrolle zu, welche sie oft gemeinsam mit HR wahrnehmen. Weil sie auch selbst vom Stellenabbau betroffen sein können, kann diese Rolle doppelt schwierig sein. Eine Unterstützung durch Training (Kündigung) und Coaching (Umgang mit schwierigen Situationen) kann hier wertvoll sein.
Wie wird kommuniziert und durch wen?
Ein Transformationsprozess mit einer Massenentlassung bedingt grundsätzlich zwei Arten von Information:
Allgemeine Informationen an alle Mitarbeitenden
Diese prozessbegleitenden Informationen sind wichtig, um die Entwicklung positiv zu gestalten und negativen Gerüchten vorzubeugen. Im Moment des Konsultationsverfahrens sind sie auch gesetzlich vorgeschrieben. Diese Informationen obliegen der Geschäftsleitung. Grundsätzlich sollte hier ein „Storyboard“ bestehen, damit die Aussagen konsistent vermittelt werden. Die Sprache muss einfach und verständlich sein. Grundsätzlich sollten auch mehrere Formen gewählt werden, z.B. mündlich (Informationsveranstaltung) und schriftlich (Brief an die Mitarbeitenden, Info im Intranet, Firmenzeitung etc.).
Spezifische Informationen für bestimmte Zielgruppen
Ein Transformationsprozess wird oft „top-down“ und „bottom-up“ umgesetzt. In diesem Prozess werden Informationen und Aufträge von der Geschäftsleitung an die verschiedenen Abteilungen und Teams gegeben und die Ergebnisse dann von den Teams wieder zurückgegeben. Dies findet meist in einer Kaskade von Sitzungen statt, in denen die relevanten Informationen durch die Vorgesetzten spezifischen Zielgruppen mitgeteilt werden. Ergänzend dazu können diese Informationen auch schriftlich direkt an diese Zielgruppen verteilt werden.
TIPPS beim Stellenabbau
Abschliessend noch einige Erfahrungen aus unserer langjährigen Arbeit in Restrukturierungs- und Stellenabbau-Projekten.
Rechtliche Situation abklären
Klären Sie lieber einmal mehr die rechtliche Situation (auch für spezifische Einzelfragen) ab. Ein Fehler kann sowohl teuer sein, als auch den gesamten Prozess verzögern.
Kommunizieren
Sie können fast nicht zuviel kommunizieren. Informieren sie offen, fair und nachhaltig. Erklären Sie, warum das Projekt nötig ist und wie es erfolgreich sein wird. Damit gewinnen Sie das Vertrauen der Mitarbeitenden und erleichtern die Veränderung.
HR/Outplacement-Spezialisten beiziehen
Für Outplacement und weitere wertvolle Dienstleistungen (s.oben) ist es wichtig, einen qualifizierten Dienstleister zu wählen. Vergleichen Sie verschiedene Angebote und wählen Sie denjenigen, welcher zu Ihrer Kultur passt und die beste Qualität bietet (z.B. ein Mitglied vom Verband ACF Schweiz).
Prozess gut begleiten
Nach der Konzeption ist es wichtig, die Umsetzung im Detail gut umzusetzen. Neben den Projektverantwortlichen sind die Geschäftsleitung und die HR-Abteilung wichtige Partner im Transformationsprozess.