Einleitung: Nach einer Untersuchung von JobScan (2023) verwenden 97 Prozent der Fortune 500 Unternehmen ein ATS (Applicant Tracking System). Dieses ATS umfasst meist auch ein Tool für Bewerbungsparsing. Im Bewerbungsprozess entscheidet diese digitale Textanalyse über den Erfolg oder Misserfolg einer Bewerbung.

Das «Bewerbungsparsing» soll mit Hilfe von KI die Auswahl von Kandidat/-innen erleichtern und damit den Rekrutierungsprozess beschleunigen. Allerdings gibt es beim Parsing einige Herausforderungen, z.B. dass sogar qualifizierte Kandidat/-innen aussortiert werden, aufgrund formaler Fehler oder weil das Tool die eingereichten Unterlagen nicht interpretieren kann.

Als spezialisierte und schweizweit tätige Outplacement-Beratung werden wir oft von unseren Klient/-innen gefragt, wie sie mit dem «Bewerbungsparsing» umgehen sollen. Dies und die aktuelle Euphorie für KI waren für uns der Anlass, eine Befragung zur Nutzung von Bewerbungsparsing in der Schweiz zu machen. Ziel der Befragung war es, mehr über den Einsatz und die Zufriedenheit mit den Ergebnissen zu erfahren.

1. Rahmen der Umfrage

Unsere Umfrage wurde in 3 Sprachen (Deutsch, Französisch, Englisch) an über 4’000 Kundenkontakte verschickt. Dabei wurden die Kontakte in verschiedene Unternehmensgrössen (gemäss Kategorisierung vom Bund) eingeteilt:

 

 

2. Ergebnisse zur Verwendung von «Bewerbungsparsing»

Das erste interessante Ergebnis haben wir zur Verwendung des Parsings erhalten:

 

Nur bei 6% aller Antworten wird in ihrer Organisation ein Parsing-Tool verwendet. Damit kann festgestellt werden, dass die Verbreitung von Parsing-Tools und deren Einsatz tendenziell überschätzt wird.

Interessanterweise setzen nicht nur grosse, sondern auch mittelgrosse Organisationen das Parsing ein, und zwar jeweils rund zu 50% der entsprechenden Antworten. 

 

3. Ergebnisse von Organisationen, welche kein Parsing verwenden

Bei den Organisationen, welche kein Parsing verwenden, haben uns die Gründe dafür interessiert:

«Kein Bedarf» war der meistgenannte Grund auf diese Frage. Aber auch die Tatsache, dass Parsing zu unpersönlich, fehleranfällig und mit Kosten verbunden ist, wurde bemängelt. 

Bei den anderen Gründen wurden folgende hervorgehoben:

Fachkräfte- und Personalmangel (grosse Unternehmen): 

  • «Sich bei einem Fachkräfte- und Personalmangel auf einen Parser zu verlassen, macht keinen Sinn!»
  • «Höchstens für Massenbewerbungen sinnvoll -> heute nicht mehr aktuell!»

Die Mängel des Parsings (grosse Unternehmen)

  • «Die Stichwortsuche kann nur jene Bewerbungen scannen, wenn diese darin vorkommen – Generationenunterschied von Fachbegriffen»

Unsere Organisation hat das Parsing nicht eingeführt oder sich noch nicht damit beschäftigt.

Bei den Antworten gab aber auch ein kleiner Teil (13%) an, in Zukunft ein Parsing-Tool verwenden zu wollen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein Teil der Organisationen sich bewusst gegen den Einsatz von Parsing entschieden hat, während beim Rest das Thema noch nicht angegangen wurde.

 

4. Ergebnisse von Organisationen mit Parser Verwendung

Die Antworten für die Gründe für den Einsatz von Parsing sind ziemlich gleichmässig verteilt: 

 

 

Aus den Antworten ergibt sich, dass die Kostensenkung nicht im Vordergrund steht, sondern die Prozessoptimierung, die Bearbeitungsgeschwindigkeit und eine «objektive Beurteilung» der Dossiers wichtiger sind.

Parser-Verwendung: Stellen, Tools und Zufriedenheit

Bei den grossen Unternehmen werden insbesondere «Talentsoft» und «workday» als Tool verwendet. Das Parsing wird grundsätzlich für alle Stellen verwendet und die Zufriedenheit ist mittelmässig bis weniger zufrieden («Hatten vorher ein bedienungsfreundlicheres System»). 

Bei den mittelgrossen Firmen werden als Tools «Personio Recruiting; recruitee; onlyfy und Softgarden» verwendet. Das Parsing wird insbesondere für Fachkräfte (Sachbearbeiter/-innen, Fachspezialist/-innen) und Führungskräfte (Teamleitung) eingesetzt und auch hier ist die Zufriedenheit mittelmässig.  

Hier werden die Mängel des Parsings benannt: «Ein Folgecheck der aussortierten Bewerbungen ist allerdings empfehlenswert. Denn es gibt auch gute Kandidaten, die vom Parsing-Verfahren unbegründet ausgesondert werden. Das Verfahren ist nur bedingt tauglich.»

Parser-Verwendung: Probleme

Grundsätzlich werden von allen Nutzern als Mangel die «Auswertungsprobleme» (100%) genannt. Ein Kommentar bringt es auf den Punkt: „Unschärfe in der Parsing-Auswahl. Das Verfahren belohnt quasi die sprachliche Bewerbungskompetenz.“ 

Folgende Aspekte wurden angesprochen:

  • Parsing macht keine sprachliche Interpretation: die Fachbegriffe in der Stellenausschreibung müssen identisch verwendet werden. 
  • Die Komplexität der gesuchten Profile, welche spezifische Formulierungen erfordern können, wird zum Problem. 
    «Das Parsing hat das Risiko, dass uns geeignete Kandidaten:innen entgehen, obwohl diese auf den gesamten CV gesehen das Gesamtpaket erfüllen, aber nur wenn man den CV interpretiert und die Hintergründe der Funktionen kennt».
  • Es bestehen zum Teil verschiedene Fachbegriffe, welche je nach (Aktualität der) Ausbildung unterschiedlich verwendet werden.
    «Die Stichwortsuche kann nur jene Bewerbungen scannen, wenn diese darin vorkommen – Generationenunterschied von Fachbegriffen
  • Unterschiedliche Berufsbezeichnungen und Fachbegriffe für bestimmte Branchen (und Länder).

Die grundlegende Kritik bleibt damit: «Keine Maschine kann zwischen den Zeilen lesen und sich in einen CV hineinfühlen.»

 

5. Erkenntnisse

  • Bewerbungsparsing wird nur von wenigen Organisationen eingesetzt. Viele Nichtnutzer haben sich konkret gegen den Einsatz entschieden.
  • Die Mängel des Parsings (Auswertungsprobleme = falsche Auswahl) werden von Nutzern und Nichtnutzern gleichermassen erkannt.
  • Die Zufriedenheit der Nutzer mit den Parsing-Tools ist mittelmässig.
  • Gerade in Zeiten von Fach- und Führungskräfte-Mangel wird der Einsatz als nicht zielführend gesehen.
  • Ein kleiner Teil der Nichtnutzer will sich in Zukunft mit dem Parsing auseinandersetzen. Dies kann als Ausdruck der Erwartung einer qualitativen Entwicklung von KI verstanden werden.

Für unsere Outplacement-Klienten und Kursteilnehmenden heisst das:

  1. Gut strukturierte, ansprechende und inhaltlich gut aufbereitete Bewerbungsunterlagen bleiben erfolgreicher als die rein textliche Abbildung des Inserates.
  2. Das Parsing ist im Bewerbungsprozess insofern zu beachten, als die (Fach)Begriffe der Inserate verwendet werden müssen (gilt auch für Arbeitgeber ohne Parsing). Die Bewerbungsunterlagen müssen aber durch die persönlichen Aspekte der eigenen beruflichen Entwicklung, inkl. persönliche Stärken/Erfolge, bereichert werden.

Für den Einsatz von KI im HR-Bewerbungsprozess heisst das:

KI-Tools sind so gut, wie das zugrunde liegende Konzept. Bei den Bewerbungsunterlagen die Qualität einer Bewerbung auf die Nennung bestimmter Begriffe zu reduzieren, wird der Komplexität der Fragestellung nicht gerecht. Es fehlt die ganzheitliche Betrachtung der Unterlagen, welche Struktur, Darstellung und Inhalt miteinander verbindet.

Auch wenn Parsing nur für die Vorauswahl von Kandidat/-innen verwendet wird, ist das Ergebnis (noch) nicht befriedigend.

Gerade in Zeiten des Fachkräfte- und Personalmangels ist der Nutzen dieser Tools in Frage zu stellen.

 

 

Ergebnisse Parsing Umfrage OTP (PDF Download)

 

 

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